Erste, teilweise erfolgreiche Versuche, refraktive Röntgenlinsen herzustellen wurden in den 1990er Jahren gemacht. Es wurden viele unterschiedliche Typen erprobt, bevor sich herauskristallisierte, welche am vielversprechendsten waren. Einige dieser Typen werden hier beschrieben.
Blasenlinsen | Alligatorlinsen | Gerollte Röntgenlinsen |
Diese Linsen bestehen aus einem Aluminium- oder Berylliumquader, in den Löcher gebohrt sind (Abb. 1), [Tom 1996, Sni 1996]. Da der Brechungsindex der Luft in den Löchern für Röntgenlicht höher ist als der des Metalls, wirken die Löcher wie zylindrische Sammellinsen. Die Gesamtanordnung aus zwei Reihen senkrecht aufeinander stehender Löcher bildet eine Linse mit Punktfokus.
Diese Optiken hatten zwei große Nachteile. Zum einen war die Absorption relativ hoch, weil die Stege zwischen zwei Bohrlöchern nicht beliebig dünn werden konnten. Zum anderen weisen solche Linsen auf Grund der runden Bohrlöcher starke sphärische Aberration auf.
Abb. 1: Refraktive Röntgenlinse aus Bohrlöchern in einem Aluminiumquader
Linsen aus Blasen in Kapillaren
Refraktive Linsen lassen sich fertigen, indem man Blasen in ein Epoxydharz einbringt, das sich in einer Kapillare befindet [Dud 1998, Gar 2004]. Im Englischen werden diese Linsen als "Bubble Compound Refractive Lenses" (BCRL) bezeichnet. Der Vorteil dieser Linsen ist die relativ einfach Herstellung. Der Nachteil ist, dass sich die Form der brechenden Oberflächen, die aus den Menisken des ausgehärteten Epoxadharzes bestehen wenig beeinflussen kann. Die Menisken sind nahe der optischen Achse etwa sphärisch und so leiden diese Linsen unter sphärischer Aberration.
Abb. 2: Blasen in Epoxydharz in einer Kapillare bilden eine brechende Linse (zur Verdeutlichung ist nur eine Hälfte dargestellt)
Alligatorlinsen werden auch als "Multi-Prismenlinsen" bezeichnet [Ced 2000, Ced 2002]. Die ersten Alligatorlinsen wurden hergestellt, indem aus einer Vinyl-Langspielplatte zwei Streifen senkrecht zur Richtung der Rillen herausgeschnitten wurden (Abb. 3). Diese Streifen wurden einander gegenüber gestellt und um einen kleinen Winkel zur optischen Achse gekippt (Abb. 4). Durchläuft Röntgenlicht die als Plastikprismen wirkenden Rillen (je nach Platte 25 µm bis max. 90 µm tief, 180 µm Rillenabstand) der Schallplatte, wird es in einen Linienfokus abgebildet. Ein Punktfokus lässt sich erreichen, indem zwei Alligatorlinsen rechtwinklig aufeinander stehend hintereinander angeordnet werden. Später wurden solche Optiken mit unterschiedlichen Verfahren auch aus Beryllium, Silizium, Epoxydharz und Diamant hergestellt.
Der Abstand von der optischen Achse, in dem ein Strahl die maximale Anzahl Prismen durchläuft, lässt sich über den Kippwinkel der Streifen einstellen. Dadurch lässt sich auch die Brennweite wählen. Berechnet man die Wirkung dieser Optik, stellt sich heraus, dass die Abbildung ebenso frei von sphärischer Aberration ist, wie dies bei den parabolischen, refraktiven Linsen der Fall ist. Da die Linsen einfach herzustellen sind, könnten sie in vielen Anwendungen eingesetzt werden.
Abb. 3: Zwei Streifen werden zur Herstellung einer Alligatorlinse aus einer Vinyl-Langspielplatte herausgeschnitten
Abb. 4: Alligatorlinse mit Linienfokus (LP-Rillen nur einseitig dargestellt)
Gerollte Prismen-Röntgenlinsen
Gerollte Prismen-Röntgenlinsen bestehen aus einer strukturierten Polymerfolie, die zur Spirale aufgerollt ist [Sim 2009; Kar 2009] (Abb. 5).
Abb. 5: Skizze einer gerollten Prismen-Röntgenlinse (ein Viertel ist zur Veranschaulichung entfernt)
Die strukturierte Folie kann z. B. durch Schleuderbelacken einer strukturierten Siliziumscheibe mit Polyimid hergestellt werden [Sim 2009]. Dazu werden in die Siliziumscheibe parallele Rillen mit dreieckigem Querschnitt geätzt, z. B. durch anisotropes Ätzen von {100}-Silizium, das zuvor mit lithografisch in einen Fotolack belichteten parallelen Linien maskiert wurde. Die fertige Folie besteht dann aus einer nur etwa 1,5 µm starken Trägerfolie mit Rippen mit dreieckigem Profil (etwa 10 µm Dreieckskantenlänge). Die Trägerfolie muss möglichst dünn sein, da sie nur zur Absorption beiträgt. Die Dreiecksprofile der Rippen müssen so klein wie technisch möglich sein: um so kleiner sie sind, um so größer wird das Verhältnis von optisch brechender Oberfläche zu absorbierendem Volumen der Prismen. Die Linse wird aus der Folie hergestellt, indem die Folie um einen dünnen Wickelkern, z. B. eine optische Glasfaser aufgerollt wird (siehe Abb. 6, mit Maus darüber). Das einfallende Licht wird an den Oberflächen der quasi ringförmigen Prismenstrukturen in einen Punktfokus gebrochen (Abb. 6)
Abb. 6: Gerollte Röntgen-Prismenlinse mit Strahlengang und Skizze zum Prozess des Aufrollens der strukturierten Folie beim Überfahren mit der Maus
[Ced 2000] | B. Cederström, R. Cahn, M. Danielsson, M. Lundqvist and D. Nygren, Focusing hard X-rays with old LP’s, Nature, Band 404, S. 951, 2000 |
[Ced 2002] | B. Cederström, A Multi-Prism Lens for Hard X-Rays, PhD thesis,Kungl Tekniska Högskolan, Stockholm, ISBN 91-7283-385-8, 2002 |
[Dud 1998] | Yu. I. Dudchik and N. N. Kolchevsky, A microcapillary lens for X-rays, Nucl. Instrum. Methods Phys. Res., Band A 421, S. 361, DOI: 10.1016/S0168-9002(98)01269-8, 1998 |
[Gar 2004] | C. K. Gary, S. A. Pikuz, M. D. Mitchell, K. M. Chandler, T. A. Shelkovenko, D. A. Hammer, Yu. I. Dudchik, X-ray imaging of an X-pinch plasma with a bubble compound refractive lens, Rev. Sci. Instrum., Band 75, S. 3950, DOI:10.1063/1.1789252, 2004 |
[Sni 1996] | A. Snigirev, V. Kohn, I. Snigireva, B. Lengeler, A compound refractive lens for focusing high-energy X-rays, Nature, Band 384, S. 49-51, DOI: 10.1038/384049a0, 1996 |
[Tom 1996] | T. Tomie, X-ray lens, Japanisches Patent 1994000045288, Anmeldung 18.02.1994, 1996 |
[Sim 2009] |
M. Simon, Röntgenrolllinse, Patent DE102009031476A1, 01.07.2009 |
[Kar 2009] | Approach and device for focusing x-rays, St. Karlsson, United States Patent Application 20090257563, filing date 11.4.2008, published 15.10.2009 |